Dr.-Ing.
Matthias Rötting
Arbeitswissenschaft im World-Wide-Web
Eine um die Links erweiterte und zum
Teil aktualisierte Versions eines Artikels, der in der Zeitschrift
für Arbeitswissenschaft, Heft 3/95, S. 183-184 erschienen ist.
Was ist das World-Wide-Web?
Im Jahr 1969 hat die Advanced Research Projects
Agency (ARPA) des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums die Vernetzung
von verschiedenen Universitäten angeregt und bezahlt. Neben der Untersuchung
eines fehlertoleranten Kommunikationsnetzes war das Ziel der verbesserte
Informationsaustausch der an ARPA Forschungsprojekten beteiligten Wissenschaftler.
Zu Beginn war nur der Zugriff auf die Daten der anderen beteiligten Forscher
auf ihrem jeweiligen "Heimatrechner" möglich. Joseph Weizenbaum berichtete
kürzlich in einem Vortrag von verschiedenen Veröffentlichungen
aus dieser Zeit, die von Kollegen "im Entstehen" mitverfolgt und kommentiert
wurden. Es war damals möglich, sich die entsprechenden Dateien auf
dem entfernten Rechner anzuschauen und ggf. auch Kommentare dazu anzufügen.
Aus diesen Anfängen hat sich das
Internet inzwischen zu einem weltweiten Computernetz entwickelt. Eine neuere
Untersuchung nennt eine Zahl von 6,6 Millionen über das Internet verbundenen
Rechnern (für aktuelle Zahlen siehe
Network Wizard Internet Domain
Survey) und es wird die Zahl von über 30 Millionen Benutzern genannt.
Täglich werden es mehr und das Internet scheint die am schnellsten
wachsende, von Menschen geschaffene Struktur zu sein. So gibt es heute
kaum noch eine Universität, die nicht einen Zugang zum Internet besitzt.
Neben dem ursprünglich rein wissenschaftlichen
Zweck wird seit einigen Jahren die Kommerzialisierung des Internet betrieben.
Immer mehr große Firmen sind im Internet vertreten. Dienstleister
ermöglichen zum einen Firmen und Privatpersonen den Zugang zum Netz,
stellen zum anderen aber auch ihre Rechner als Basis für Angebote
zur Verfügung. Zur Zeit werden Möglichkeiten des sicheren Zahlungsverkehrs
über das Internet diskutiert, Grundlage für eine direkte Abrechnung
zwischen Anbietern und Kunden.
Im Internet stehen verschiedene Dienste
zur Verfügung, um auf entfernte Rechner zu arbeiten, um Dateien zwischen
zwei Rechnern auszutauschen und um Nachrichten zu versenden.
-
Mittels des Programms telnet ist es
möglich auf einem entfernten Rechner zu arbeiten.
-
ftp steht für file transfer protocol,
also ein Programm und Protokoll zur Übertragung von Dateien von einem
Rechner zu einem anderen.
-
Mittels email können Nachrichten
zwischen Personen ausgetauscht werden, die Zugang zum Internet und eine
entsprechende email-Adresse haben.
-
news erfüllen die Funktion von
schwarzen Brettern. Zu mehreren tausend Überschriften können
Nachrichten gelesen und geschrieben werden, die von entsprechenden Rechnerprogrammen
rund um die Welt geschickt werden.
-
gopher ist eine Weiterentwicklung von
ftp, die eine Voransicht der Dateien ermöglicht und damit eine text-basierte
Vorstufe des World-Wide-Web ist.
Jüngstes Kind der Dienste ist das World-Wide-Web,
meist abgekürzt als WWW oder W3. 1992 aus einem Projekt des Schweizer
Forschungsinstituts CERN hervorgegangen,
vereint es unter einer Hypertext Oberfläche die meisten anderen Dienste.
Texte, Bilder, Sound Dateien, Videosequenzen, selbst 3D-Anwendungen, stehen
bereit.
Wie bei vielen anderen Dingen bestand
die eigentliche Leistung in der Vereinbarung eines Standards. Wichtiges
Element ist das einheitliche Adressierungsschema, um die verschiedenen
Rechner und auf diesen die unterschiedlichen Dienste zu erreichen. Eine
URL (für Universal Resource Locator) besteht im wesentlichen aus einer
Abkürzung für den Dienst, z. B. "http" für den Hypertext
Dienst, der Adresse des Rechners, z. B. "wwwifa.kf.tu-berlin.de" für
einen Rechner des Instituts für Arbeitswissenschaft der TU Berlin,
dem Namen der Datei auf dem Rechner (ergänzt um evtl. Pfadabgaben).
So ist also URL: "http://wwwifa.kf.tu-berlin.de/index.html"
die vollständige Adresse der Startseite des WWW Angebots des Instituts
für Arbeitswissenschaft der TU Berlin.
Wie erfolgt der Zugang zum World-Wide-Web?
Im ersten Teil dieses Abschnitts soll zuerst
die Nutzung des WWW als Nutzer beschrieben werden, bevor im zweiten Teil
kurz die Voraussetzungen für die Nutzung des WWW als Informationsanbieter
beschrieben wird.
Nutzer
Voraussetzung zur Nutzung des WWW ist ein
Rechner und ein Zugang zum Internet. Im Idealfall besitzt der Rechner einen
direkten Zugang zum Internet, z. B. da er in das Netzwerk der Hochschule
eingebunden ist. Aber auch über ein Modem und eine Telefonverbindung
ist der Zugang möglich. So kann z. B. über das Telefon die Verbindung
zu einem Rechner mit Internet Zugang in der Hochschule oder einem kommerziellen
Internet Provider hergestellt werden. Sollte schon eine Mitgliedschaft
bei CompuServe bestehen, ist auch darüber ein Internet Zugriff möglich.
Schon zur Zeit besteht die Möglichkeit über Datex J (früher
Btx) auf das Internet und ausgewählte Dienste zuzugreifen, im Laufe
dieses Jahres soll auch die Nutzung von WWW möglich sein.
Während für die Nutzung der
Dienste im Internet selbst bis jetzt keine Gebühren anfallen, ist
der Zugang zum Internet evtl. mit Kosten verbunden. Die Hochschulen bezahlen
als Mitglieder im Verein Deutsches Forschungsnetz (DFN)
üblicherweise einen Pauschalpreis für den Zugang zum Internet
und können den Hochschulangehörigen daher den kostenfreien Zugang
gewähren. Anders sieht es bei den kommerziellen Anbietern (auch CompuServe
und Datex J) aus. Neben den Kosten für die Telefonvermittlung werden
weitere Gebühren für Verbindungszeit und/oder übertragene
Informationsmenge in Rechnung gestellt.
Für fast alle Rechnertypen steht
Software zur Nutzung des WWW bereit. Positiv ist, das diese zumeist für
die Nutzung durch Bildungseinrichtungen und Privatpersonen kostenlos ist.
Gängige Programme für IBM-kompatible PC's unter Microsoft Windows,
Apple Macintosh Rechner und UNIX Rechner sind die Programme Mosaic und
Netscape. In der Regel werden die Hochschulrechenzentren bei der Beschaffung
und Installation der Programme Hilfestellung geben können.
Anbieter
Voraussetzung, um eigene Informationen im
Internet zur Verfügung zu stellen, ist eine permanente Verbindung
zum Internet und ein entsprechender Rechner. Auch hier haben Hochschulinstitute
es einfacher als andere Interessenten. Oft stellen die zentralen Hochschulrechenzentren
Rechner- und Festplattenkapazität für die Institute und Arbeitsgruppen
zur Verfügung. Die entsprechenden Seiten können dann auf einem
lokalen PC geschrieben und getestet werden bevor sie auf den zentralen
Rechner übertragen werden.
Aber auch mit einer ans Internet angeschlossenen
eigenen Workstation oder einem leistungsfähigen PC (z. B. mit Microsoft
Windows NT oder LINUX Betriebssystem) können Informationen bereitgestellt
werden. Auch hier gibt es für die meisten Plattformen entsprechende
Software, um einen WWW-Server zu betreiben (URL "http://www.w3.org/Servers.html");
für Bildungseinrichtungen ist diese oft kostenfrei erhältlich.
Teuerste Alternative ist sicherlich die
Inanspruchnahme der Dienste eines kommerziellen Internet Providers.
Was gibt es für Informationen im World-Wide-Web?
In diesem Artikel soll nicht allgemein auf
die im WWW verfügbaren Informationen eingegangen werden - ein wegen
der Menge der Daten und den schnellen Veränderungen auch nicht zu
verwirklichendes Vorhaben. Herausgegriffen werden sollen Informationen,
die für die arbeitswissenschaftliche Lehre und Forschung interessant
sein können.
Zuallererst sind hier die WWW-Seiten von
Hochschulen zu nennen. Fast alle US-amerikanischen und sehr viele europäische
Universitäten sind mit eigenen Seiten im WWW präsent. Auf diesen
wird in der Regel die Hochschule mit ihren Lehr- und Forschungsaktivitäten
vorgestellt. Besonders in den USA finden sich auch Informationen zur Immatrikulation
und zur Umgebung der Hochschule. Über eine Liste der Fakultäten
bzw. Fachbereiche gelangt man bis zur Ebene einzelner Institute, Fachgebiete,
Arbeitsgruppen und Personen. Auf diesen Ebenen lassen sich sehr aktuelle
Informationen zu den Forschungsaktivitäten finden. Viele Personen
mit eigenen WWW-Seiten bieten auf diesen eine Beschreibung ihres wissenschaftlichen
Werdegangs, ihrer aktuellen Veröffentlichungen (zum Teil als Dateien
zum Übertragen auf den eigenen Rechner) und ihrer aktuellen Forschungsinteressen.
Daneben finden sich oft noch Angaben über die Hobbys, aber auch die
Adressen weiterer WWW-Seiten, die die Person selber nutzt.
Neben dem Zugang über die Institution
helfen Rechner mit speziellen Suchprogrammen und Datenbanken bei dem Auffinden
von Informationen. Als Beispiel sei das Lycos Projekt (URL "http://www.lycos.com/"),
hervorgegangen aus Aktivitäten der Carnegie Mellon University in den
USA, genannt. Anfang August 1995 waren in der Datenbank Informationen über
mehr als 5,5 Millionen Seiten enthalten. Nach der Anmeldung von Seiten
auf dem Lycos Rechner lädt dieser die Seiten in regelmäßigen
Abschnitten und extrahiert aus den Seiten Schlagwörter. So ergibt
zum Beispiel die Lycos Suche nach dem deutschen Wort "Arbeitswissenschaft"
Hinweise auf 71 Dokumente und "Ergonomics" bzw. "Human Factors" ergeben
1000 bzw. 1029 Treffer. Auch wenn manche Daten in der Ergebnisliste redundant
sind, eignet sich eine solche Liste als Ausgangspunkt für einen "Ausflug
in das Netz".
Der Autor hat auf dem Server des Zentrum
Mensch-Maschine-Systeme der TU Berlin drei Seiten bereitgestellt,
die auch für andere als Ausgangspunkt dienen können:
-
URL "http://www.zmms.tu-berlin.de/LINKS/institute.html"
enthält eine Liste von Hochschul- und hochschulnahen Instituten, die
im weiteren Bereich der Arbeitswissenschaft aktiv sind. Während versucht
wird, für den Bereich der Bundesrepublik vollständig alle Institute
zu erfassen, gleichgültig, ob diese eigene WWW-Seiten anbieten oder
nicht, sind im internationalen Teil der Liste nur Institute mit einem eigenen
WWW Angebot aufgenommen.
-
Eine zweite Liste enthält, geordnet nach
Themenbereichen, Verweise auf andere fachlich interessante WWW-Seiten (URL
"http://www.zmms.tu-berlin.de/LINKS/ergo_links.html").
-
Die dritte Liste gibt Hinweise auf Konferenzen
(URL "http://www.zmms.tu-berlin.de/LINKS/conferences.html")
und wird inzwischen von Sandro Leuchter betreut.
Alle drei Listen erheben nicht den Anspruch
auf Vollständigkeit und stellen auf keinen Fall eine Bewertung dar.
Daher freut sich der Autor auch über jede Anregung, Kritik und Hinweis
auf weitere WWW-Seiten.
Perspektiven für die arbeitswissenschaftliche
Forschung und Lehre
Im Rahmen des diesjährigen Frühjahr
Kongreß der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft wurden schon
informell Perspektiven des World-Wide-Web für Lehre und Forschung
diskutiert.
An verschiedenen Instituten gibt es zu
den unterschiedlichsten Themen Rechnerprogramme und Hypertext Systeme,
die im Rahmen der Lehre eingesetzt werden. In einem ersten Schritt wäre
es denkbar, diese über das WWW anderen Instituten zum Kopieren und
Benutzen anzubieten. Hilfreich könnte es sein, zentral auf einer WWW-Seite
eine Liste der Programme zu pflegen. Einen Schritt weiter könnte man
gehen, indem man die Hypertext Systeme in das HTML-Format der WWW-Seiten
konvertiert. Ein Lehrbuch der Arbeitswissenschaft als Hypertext Dokument
wäre so möglich. Auch hier bietet sich wieder eine zentrale Einstiegsseite
an, während die einzelnen Teile von verschiedenen Autoren erstellt
und auf verschiedenen Rechnern bereitgestellt werden könnten.
Für die Unterstützung der Forschung
könnte es hilfreich sein, auch hier zu sammeln, welche Institute sich
mit welchen Themen beschäftigen. Darüber hinaus sind eine Reihe
von anderen Unterstützungsfunktionen denkbar, die die tägliche
Arbeit erleichtern können. Ein Beispiel ist die "Terminologie der
Arbeitswissenschaft" von Prof. Hammer aus Braunschweig, ein Lexikon und
dreisprachiges Wörterbuch (englisch, französisch, spanisch) arbeitswissenschaftlicher
Begriffe, die auf dem Rechner des Instituts für Arbeitsphysiologie
an der Universität Dortmund verfügbar war.
Workshop in Berlin
Der vorstehende Artikel hat hoffentlich einige
der Möglichkeiten aufgezeigt, die sich durch die Nutzung des World-Wide-Web
bieten.
Am 17. und 18. November 1995 findet am
Institut für Arbeitswissenschaft der TU Berlin ein Workshop statt.
Folgende Themen sind angedacht:
-
Nutzung von World-Wide-Web Angeboten
-
Installation von eigenen Servern (Einladung
eines Experten aus den Rechenzentren der Berliner Universitäten, Austausch
der Teilnehmer untereinander).
-
Koordination von allgemeinen Verweisseiten
-
Koordination der Erstellung von neuen Unterlagen
für Lehre und Forschung.
Kosten für den Workshop selber entstehen
keine, ggf. wird für Materialien und Pausenverpflegung eine Umlage
erhoben. Für Anreise und Unterkunft ist bitte selbst Sorge zu tragen.
© und inhaltlicher Stand 1997, letzte Bearbeitung 28. Oktober
2002, Matthias Rötting